Kostenloser Zugang zur deutschen Justiz Teil 1: Beratungshilfe
Kostenloser Zugang zur deutschen Justiz Teil 1: Beratungshilfe
Juristen im Allgemeinen und Anwälte insbesondere haben oft den schlechten Ruf, sehr teuer zu sein. Menschen mit bescheidenen Ressourcen glauben deshalb, keinen Zugang zu dieser rechtlichen Unterstützung haben zu können. Diese Sorge ist zwar legitim, aber teilweise unbegründet, da das deutsche Gesetz Menschen, die ein Rechtsproblem haben aber sich keinen Anwalt leisten können, eine Sonderhilfe gewährt. Diese Hilfe beruht auf zwei Hauptsäulen, der Beratungshilfe einerseits und der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe andererseits. Der Unterschied zwischen den beiden Beihilfen ist sehr einfach: wenn das fragliche Problem gelöst werden kann, ohne dass ein Gerichtsverfahren erforderlich ist, können Sie die Beratungshilfe anfordern. Erfordert das Problem hingegen eine gerichtliche Auseinandersetzung, werden die Kosten durch die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe gedeckt. Dies bedeutet, dass die Beratungshilfe alle vorgerichtlichen Verfahren abdeckt und die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe die im Verlauf eines Gerichtsverfahrens anfallenden Anwaltskosten (für den eigenen Anwalt) sowie Gerichtskosten übernimmt. Aber lassen Sie uns in diesem Artikel im Detail sehen, was Beratungshilfe ist.
Die Beratungshilfe kann beispielsweise für rechtliche Probleme unterschiedlichster Art und aus sehr unterschiedlichen Bereichen beantragt werden, wie etwa
– Streitigkeiten unter privaten Personen / Unternehmen, zum Beispiel bei Problemen mit dem Vermieter oder mit der Versicherung nach einem Autounfall, Schwierigkeiten mit der Erfüllung eines Vertrages, oder Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen oder anderen Ansprüchen während der Trennung oder Scheidung
– Arbeitsbezogene Fragen wie Nichtzahlung von Überstunden oder Urlaub oder ungerechtfertigte Kündigung
– Probleme mit der Verwaltung, z. B. aufgrund einer Ablehnung des Jobcenters oder einer falschen Berechnung der Sozialleistungen oder ähnlicher Situationen beim Sozialamt, der gesetzlichen Krankenversicherung, der Ablehnung einer Arbeitsunfähigkeitsrente oder des Kranken-, Wohn- oder Kindergeldes
– Andere Konfliktsituationen, die rechtliche Unterstützung erfordern, mit einer Einschränkung im Strafrecht: denn in Fällen, in denen Ihnen eine Straftat vorgeworfen wird, beschränkt sich die Beratungshilfe ausschließlich auf eine persönliche Beratung ohne anschließende Vertretung durch den Anwalt.
Die Beratungshilfe wird nur gewährt, wenn die betroffene Person ein Rechtsproblem hat, das heißt, wenn eine Sozialleistung beantragt wurde und abgelehnt wurde oder ein Problem mit einer Privatperson vorliegt, die trotz ihrer Bemühungen nicht gelöst werden konnte. Es ist wichtig, diesen Punkt zu beachten, da diese Beratungshilfe nicht gewährt werden kann, damit ein Anwalt die Leistungen beim Jobcenter für uns beantragt oder in unserem Namen das Kindergeld beantragt. Auch wenn für viele Personen ein solcher Antrag, aufgrund mangelnder Erfahrung mit den Behörden und fehlender Deutschkenntnisse, zum Alptraum werden kann, sieht das Gesetz nicht vor, dass ein Rechtsanwalt für die Bearbeitung solcher Anträge bezahlt wird. Dieser erste Schritt muss die Person selbst auf eigene Initiative bewältigen, wenn nötig mit Hilfe von kostenlosen Beratungsstellen für Ausländer mit Sozialarbeitern, die ihre Muttersprache sprechen. Das Gesetz verlangt daher ein hohes Maß an Selbstorganisation und Initiative. Und nur dann, wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und sich herausstellt, dass das Problem nicht gelöst werden konnte, weil der Chef beispielsweise weiterhin den Urlaub nicht zahlt oder das Jobcenter die beantragten Leistungen endgültig abgelehnt hat, dann ist der richtige Zeitpunkt, um die Beratungshilfe zu beantragen, so dass ein Anwalt ihre Ansprüche weiterverfolgen kann.
Damit keine falschen Erwartungen geweckt werden ist wichtig klar zu stellen, dass diese Gutscheine für einen Rechtsanwalt im Falle einer Notwendigkeit aufgrund eines rechtlichen Problems erteilt werden, und nicht aus Bequemlichkeit wegen fehlender Deutschkenntnisse.
Wenn aber die Person das getan hat, was in ihrer Macht stand, um das Problem vergeblich zu beheben, oder wenn sie beispielsweise Sozialhilfe beantragt hat und diese abgelehnt wurde, dann kann sie diesen Gutschein für einen Rechtsanwalt anfordern, womit sie einen Rechtsanwalt gegen eine einmalige Gebühr in Höhe von 15, – € beauftragen kann.
Um diesen Gutschein für einen Rechtsanwalt zu erhalten, der im Deutschen als “Berechtigungsschein” oder „Beratungshilfeschein“ bezeichnet wird, müssen Sie sich an das Amtsgericht wenden, das für ihren Wohnsitz zuständig ist. Frankfurt zum Beispiel hat hinter dem C & A, der Konstablerwache eine Stelle sowie eine zusätzliche Dependance für Höchst in der Zuckschwerdtstraße. Personen mit Wohnsitz außerhalb Frankfurts können ihr entsprechendes Amtsgericht nach ihrer Postleitzahl einfach im Internet suchen.
Das Ausstellen des Berechtigungsscheins ist relativ einfach und erfolgt am selben Tag, wenn man gut vorbereitet ist. Wichtig ist, ein Formular auszufüllen und die entsprechende Dokumentation mitzuführen. Man kann das Formular bei demselben Gericht abholen oder über das Internet von zu Hause aus über den Link https://justiz.de/formulare/zwi_bund/agI1.pdf herunterladen. In diesem Formular sollte man Angaben zu der eigenen familiären und wirtschaftlichen Situation, zum aktuellen Einkommen und Ersparnissen machen, Bankkonto, Mietkosten und andere besondere Belastungen. Ebenso müssen die letzten drei Lohnabrechnungen, die aktuellen Kontoauszüge, der Bewilligungsbescheid des Jobcenters bei Leistungsbezug, der Mietvertrag usw. beim Gericht beigefügt werden. Je nach Situation sind diese oder jene Dokumente vorzulegen. Entscheidend ist der Nachweis, dass das Einkommen begrenzt ist. Andererseits muss man aber auch nachweisen, dass man ein Rechtsproblem hat, weshalb der Berechtigungsschein benötigt wird. Auf diese Weise muss man erläutern, wofür der Berechtigungsschein benötigt wird. Zudem wird man die entsprechende Korrespondenz hierzu vorlegen müssen, beispielsweise die kürzlich erfolgte Ablehnung des Jobcenters, die Gehaltsabrechnung des Unternehmens ohne Bezahlung des Krankenurlaubs oder das Kündigungsschreiben des Vermieters usw. Das heißt, man muss den Rechtspfleger des Gerichtes davon überzeugen, dass man ein konkretes Problem hat, wofür ein Anwalt gebraucht wird.
Sobald dieser Berechtigungsschein erteilt wird, ist man völlig frei, den gewünschten Rechtsanwalt zu suchen. Es gibt keine geschlossenen Listen von Rechtsanwälten oder ähnliches. Jeder kann den Fachmann wählen, der sein Vertrauen verdient. Es ist aber sehr wichtig, dass die Ausstellung des Berechtigungsscheins vor dem Termin mit dem Rechtsanwalt erfolgt ist, da ansonsten das Risiko besteht, dass der Rechtsanwalt mangels Vorlage des Berechtigungsscheins die Rechtsberatung auf der Grundlage des üblichen Honorarsatzes abrechnet. Notfalls sollte man den Termin bei dem Rechtsanwalt verschieben, wenn der Berechtigungsschein noch nicht vorhanden ist. Damit erspart man sich unangenehme Überraschungen.
In der nächsten Ausgabe der Zeitschrift La Guia de Frankfurt werden wir die andere grundlegende Säule für den kostenlosen Zugang zur Justiz besprechen: die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe.
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Autor: Elisabet Poveda Guillén, abogada alemana y española con bufete en Frankfurt. Derecho del Trabajo, de lo Social, de Extranjería y de Familia.
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