Gehaltsfortzahlung bei einer Insolvenz
Frage: Hallo, guten Tag. Ich arbeite seit sechs Monaten für eine Firma, die große finanzielle Probleme hat. Mir wurde das letzte Gehalt nicht mehr bezahlt, und jetzt habe ich eine Mitteilung über die bevorstehende Insolvenz sowie eine Kündigung erhalten. Wie kann ich mein Gehalt retten? Antonio aus Offenbach.
Antwort: Lieber Antonio, vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Lage in Deutschland ist, zugegebenermaßen, kompliziert und die einzuhaltenden Termine sind kurz. Es freut mich, dass wir anlässlich Ihrer Anfrage wichtige Auskünfte nun darüber geben können.
In Deutschland existiert das sogenannte „Insolvenzgeld”. Es handelt sich hierbei um eine Soziallleistung, die dazu dient, die seitens der Firma ausgebliebene Arbeitsvergütung zu ersetzen. Diese Unterstützung kann von jedem unselbstständigen Arbeitnehmer beantragt werden. Es ist unerheblich, ob man mehr als 450,- € verdient, oder einen Minijob hat. es ist ebenso egal, Unwesentlich ist auch, ob man Student ist oder sogar Rentner, der etwas dazu verdient. Alle Arbeitnehmer also, unabhängig von dem jeweiligen Einzelarbeitsvertrag, haben Anspruch auf diese Hilfe. Die einzigen Personen, die hierbei Schwierigkeiten haben könnten, wären die Geschäftsführer der Firma und auch die Familienangehörigen der Firmeninhaber, da sich bei diesen die Frage stellt, ob sie tatsächlich dort beschäftigt waren oder nur ein Scheinarbeitsverhältnis vortäuschen. Dies trifft jedoch in Ihrem Fall nicht zu.
Das Insolvenzgeld muss bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. Diese Behörde bearbeitet den ganzen Vorgang und zahlt bis zu drei Nettogehälter aus. Der Betrag, der ausgezahlt wird, entspricht dem Nettogehalt (mit einer Deckelung bei 6.350,- € brutto im Monat). Diese Sozialleistung ist attraktiver als das Arbeitslosengeld, denn das Arbeitslosengeld beträgt in der Regel zwischen 60% und 67% des Nettogehalts, während das Insolvenzgeld das gesamte Nettogehalt für die Dauer von drei Monaten erfasst. Zudem zahlt die Bundesagentur für Arbeit auch die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung, so dass Sie diese Kosten nicht selbst tragen müssen.
Selbst wenn man nicht lange genug gearbeitet hat, um selbst Arbeitslosengeld beziehen zu dürfen, kann man nichtsdestotrotz das Insolvenzgeld beziehen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Sozialleistungen, auch wenn beide von der gleichen Behörde gewährt werden. Die Tatsache, dass man die Anspruchsvoraussetzungen für die eine Leistung nicht erfüllt, bedeutet daher nicht, dass man die andere Leistung nicht erhalten kann. Um das Insolvenzgeld zu bekommen, braucht man daher keine Mindestzahl an Beitragsmonaten nachzuweisen. Das Einzige, was das Gesetz voraussetzt, ist das Vorliegen eines „Insolvenzereignisses“. Dieses wird in § 165 SGB III wie folgt definiert: 1) Wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma eröffnet wird, oder 2) der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird, oder 3) der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt hat. Wenn einer dieser drei Fälle eingetreten ist, kann der Arbeitnehmer Insolvenzgeld beantragen.
Auf diesem Weg wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmer die letzten drei Monatsgehälter erhalten, auch wenn die Firma über keine Liquidität mehr verfügt und die Kosten nicht übernehmen kann.
Im Übrigen muss man darauf achten, dass das Insolvenzgeld nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten beantragt werden kann. Diese Frist beginnt mit dem vorgenannten Insolvenzereignis. Diese Frist ist sehr problematisch, weil sie sogar laufen kann, ohne dass der Betroffene Kenntnis davon hat!! Selbst wenn man von der Insolvenz nichts weiß, läuft die Frist gegen die eigenen Interessen. Umso wichtiger ist es, dass man sich mit dem Thema ein bisschen auskennt, so dass man rechtzeitig reagieren kann, falls es mit der Firma bergab geht. Üblicherweise werden die Arbeitnehmer durch den Betriebsrat oder durch den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter über das Insolvenzverfahren benachrichtigt. Wenn es so ist, dann kann man leicht darauf reagieren und das Insolvenzverfahren beantragen, wie in Ihrem Fall. Wer aber keine entsprechende Information erhält, sollte nicht allzu lange warten und den Antrag auf Insolvenzgeld rein vorsorglich stellen, vor allem bei Gerüchten über die Finanzlage der Firma und Gehaltsrückständen; also als reine Vorsichtsmaßnahme, um die Frist einzuhalten.
In Ihrem Fall, ich empfehle ich Ihnen, die Bundesagentur für Arbeit aufzusuchen, um das Insolvenzgeld baldmöglichst zu beantragen. Es steht Ihnen zu. Außerdem, da Sie gekündigt wurden, können Sie sogar um Zahlung eines Vorschusses bitten. Die Antragsformulare und Kontaktdaten Ihrer örtlich zuständigen Behörde finden Sie unter INFO. Ich wünsche Ihnen alles Gute!
INFO: Arbeitsagentur – Formulare Insolvenzgeld. Sammlung ausfüllbarer Formulare für den Bereich Insolvenzgeld.
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Autorin: Elisabet Poveda Guillén, Rechtsanwältin & Abogada, Frankfurt am Main – www.ra-poveda.de
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